Warum mehr Arbeit keine Lösung ist

Warum mehr Arbeit keine Lösung ist

Solange Care-Arbeit unbezahlt ist, bleibt sie unsichtbar. Unser gesellschaftlicher „Wert“ wird immer noch an Erwerbsarbeit gemessen.

Und 117 Mrd. Stunden unbezahlter Arbeit jährlich einfach ignoriert.

 

Ich beobachte mit Bauchschmerzen die aktuelle Debatte darüber, dass Mütter mehr in Vollzeit arbeiten sollen.

Ich kenne dieses Mindset – und auch die dahinterstehende Idee. Ich selbst habe mit drei kleinen Kindern viele Jahre Vollzeit gearbeitet – bis an die Grenzen meiner Belastbarkeit.

Zum ersten Mal habe ich das so richtig gespürt vor neun Jahren, als meine Tochter ein Jahr alt wurde und ich wieder in den Job einstieg. Es war ein mega anstrengendes Jahr. Eigentlich hätte ich länger Elternzeit gebraucht, aber ich habe durchgezogen – weil man das als Frau halt so macht.

Kurz vor der Pandemie war ich endlich so weit, zu erkennen: Es geht so nicht weiter. Ich muss weniger arbeiten, die Belastung ist zu hoch. Doch dann kam der Ausnahmezustand: weiterarbeiten, das Business auf online umstellen – und das mit zwei schulpflichtigen Kindern und einem Kindergartenkind, die ganztags nebenher betreut werden mussten.

Weitere Jahre vergingen. Weitere Grenzen wurden überschritten, neue Herausforderungen kamen, Erschöpfung bis hin zur Hashimoto-Diagnose. Ich denke oft: Mein Körper setzt nur fort, was ich jahrelang mit ihm gemacht habe.

Yoga war eine wunderbare Möglichkeit, meine Belastbarkeit zu steigern – um dann noch mehr leisten zu können.

 

Zahlen sagen mehr als Meinungen: 44,5 Stunden unbezahlte Arbeit

 

Eine Mutter mit Kindern unter sechs Jahren leistet durchschnittlich 44,5 Stunden Care-Arbeit pro Woche.

Wo soll sie da noch mehr Erwerbsarbeit unterbringen? Lange habe ich gedacht: Okay, die Eltern müssen sich die Care-Arbeit einfach nur gerechter aufteilen, dann wird das schon irgendwie funktionieren. Aber ehrlich gesagt machen wir das bei uns bereits ziemlich fair. Ich würde sagen, wir liegen bei etwa 40/60 – wobei ich natürlich die 60 % übernehme. Und trotzdem bin ich oft am Limit. Genauso wie die Mütter, die zu mir kommen. Auch sie sind am Limit. Sie quetschen gerade so ihre 75 Minuten Selfcare pro Woche irgendwo dazwischen – die aber als erstes gestrichen werden, sobald etwas Unvorhergesehenes passiert. Oder auch bei vorhersehbaren Dingen wie Schulterminen oder kranken Kindern.

Zwischen Überlastung und Selbstaufgabe

Jetzt teile ich meine ganz persönliche Situation. Mir ist vollkommen bewusst, dass eine Selbstständigkeit noch einmal eine ganz eigene Belastung mit sich bringt – anders als klassische Arbeitsverhältnisse. Aber ich kenne viele Frauen, die auch ohne Vollzeiterwerbstätigkeit am Limit sind. Die gerade so viel Selbstfürsorge einbauen, dass sie irgendwie durchhalten.

Und diese Frauen, die jeden Tag den Laden am Laufen halten, sollen jetzt noch mehr Erwerbsarbeit leisten?

Wie wäre es stattdessen mal mit einer Bezahlung von Care-Arbeit? Oder wenigstens einer Kindergrundsicherung für alle? Oder einer Müttergrundsicherung? Oder meinetwegen auch einer Elterngrundsicherung?

Das Einzige, worauf in diesem Land geschaut wird, ist die erbrachte Erwerbsarbeit – davon hängt unser „Wert“ ab. Arbeit, die nicht bezahlt wird – wie Care-Arbeit – wird dadurch automatisch entwertet.

Diese ganze Arbeitsdebatte können wir meiner Meinung nach nicht führen, ohne auch die 117 Milliarden Stunden unbezahlter Arbeit mit in die Waagschale zu legen. Denn auch wenn sie im Privaten stattfinden, dienen sie nicht allein dem Privatvergnügen – sie sind essenziell für unser gesellschaftliches Leben. Besonders, wenn es um die Betreuung und Pflege von Angehörigen geht – egal ob jung oder alt.

Deine Wahrnehmung trügt nicht – einfach weiter machen ist keine Option

Du merkst: Ich bin wütend. Und ja – ich, kleines Licht hier – werde an der Politik vermutlich nichts ändern. Aber ich möchte dir sagen und mit dir teilen:

Das, was du vielleicht als ungerecht wahrnimmst, ist tatsächlich ungerecht.

Einfach immer weitermachen, weil ohne dich alles zusammenbricht, ist keine Option. Denn irgendwann brichst du dann selbst zusammen.

Uns weiteren gesellschaftlichen Druck aufzubürden, ist nicht okay.

Also: Sprecht darüber.

Am Esstisch, am Stammtisch, mit Männern oder wo auch immer dieses Thema zur Sprache kommen kann.

Erlaubt euch, erschöpft und abgekämpft zu sein.

Erlaubt euch, weniger zu machen.

Weniger ist (über)lebenswichtig

Ich mache inzwischen seit einigen Jahren jedes Jahr ein bisschen weniger. Ich gebe immer mehr „Graubrotjobs“ ab – und trotzdem bin ich noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem ich am Ende der Woche sagen kann:

Diese Woche hatte ein passendes Pensum.

Es ist ein Weg – und er ist steinig, weil er nicht allein in unseren Händen liegt.

Wir haben Familien, für die wir Verantwortung tragen.

Wir leben in einer Gesellschaft, die Ansprüche an uns stellt.

Da sind Arbeitgebende, Schulen, Kitas, Sportvereine, Termine, To-do-Listen …

Und der Tag hat nach wie vor nur 24 Stunden.

Wenn wir wirklich etwas an diesem Problem verändern wollen, dann müssen wir weniger machen – nicht mehr.

Und ich glaube, das gilt zumindest für eine Vielzahl von Müttern.

Für alle anderen kann ich an dieser Stelle nicht sprechen – das liegt jenseits meiner Lebensrealität.

Und noch ein letzter Gedanke:

Arbeitszeit ist nicht gleich Produktivität.

Ich bin zum Beispiel am produktivsten, wenn ich in meinen Hochphasen Deep Work machen kann. Dann schaffe ich in zwei Stunden das, was ich an anderen Tagen in acht nicht schaffe. Bin ich nicht gut drauf, unausgeschlafen, erschöpft – dann hat das direkte Auswirkungen auf meine Leistungsfähigkeit.

Also frage ich mich:

Was brauchen wir eigentlich mehr – Arbeitsstunden oder Ergebnisse?

Wenn es um Ergebnisse geht, wenn es um echte Produktivität geht, dann liegt der Schlüssel vielleicht genau in weniger Arbeitszeit, mehr Selbstfürsorge und weniger ständiger Erreichbarkeit.

Klingt das nach esoterischer Spinnerei?

Mag sein.

Aber es funktioniert.

 

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Damit wir irgendwann alle genug Kraft haben, auch an den Rahmenbedingungen etwas zu verändern.

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